Tagebuch: Mein Mittwoch im Social Distancing – Nadine

Es ist Mittwoch. Mein Wecker klingelt um 8:20 Uhr; noch immer kommt es mir komisch vor, so lange schlafen zu können. Und obwohl ich länger schlafe, als mit regulärer Schule, fühle ich mich müder und bin viel weniger motiviert aufzustehen. Egal, Augen zu und durch, denke ich mir und schaffe mich irgendwie aus dem Bett. Jetzt muss ich mich beeilen, denn wenn ich nicht rechtzeitig anfange, muss ich in die Pause arbeiten und darauf habe ich keine Lust. Unser erstes Fach an diesem stark bewölkten Mittwochmorgen ist Chemie. Hier arbeiten wir zurzeit an einem Projekt zum Periodensystem der Elemente (oder sollte ich lieber sagen der Atomarten…?). Für mich bedeutet das, dass ich die ersten zwei Stunden noch im Schlafanzug verbringen kann. Ich mache mich also an die Arbeit, und recherchiere viel zu unserem Thema, jedoch kommen nur mehr und mehr Fragen auf. Auch Google ist mir nicht wirklich eine Hilfe, da die Erklärungen hoch wissenschaftlich sind und ich sie nicht verstehen kann. Erst jetzt fäll mir so richtig auf, wie leicht wir es im normalen Unterricht haben. Dort können wir immer Fragen stellen und die Lehrer geben uns die Antworten. Im Vergleich dazu müssen wir zuhause viel mehr recherchieren, weil wir nicht wie sonst immer Fragen stellen können. Schon bald ist es halb zehn und wir haben endlich unseren Google Meets Anruf, um Fragen zu klären. Ich habe all meine Fragen im Schlepptau. Hierbei geht es um Oxidationszahlen, Orbitale, Kationen und Anionen und als die Stunde zuende ist brummt mir der Kopf, aber ich habe auch viel dazu gelernt. 

Nach Chemie, während der Pause lese ich meinen privaten Roman und versuche alle Atome, Moleküle (und was weiß ich noch alles chemische) aus meinem Kopf zu entfernen. Schneller als mir lieber ist, ist meine kurze Pause zuende und ich muss mich wieder an meinen Computer setzen, diesmal um die Aufgaben für den Deutschunterricht zu bearbeiten. Diese sind nach 30 Minuten schon fertig und jetzt ist es auch Zeit für mein Frühstück. Nebenbei lese ich mir meine Präsentation für Englisch (über das Buch Tom Sawyer) durch und versuche mir so viel wie nur möglich davon einzuprägen. Danach mache ich mich an eine weitere Präsentation, diesmal Geschichte und wechsele noch kurz zu Chemie um alles neu Erlernte von der vorherigen Stunde aufzuschreiben. Wie auch in der anderen Pause, lese ich an meinem Buch weiter und ziehe nachher noch einen anständigen Pulli an, für den Fall, dass ich für die Englisch Präsentation meine Kamera anmachen muss. Danach lese ich wieder etwas und als es Zeit ist, trete ich dem Google Meets Treffen bei. Nachdem wir etwas auf alle nicht anwesenden Mitschüler gewartet haben (was sonst nicht nötig ist) fange ich mit meiner Präsentation an und obwohl ich nicht vor einem Publikum stehe, bin ich seltsamerweise trotzdem nervös. Die Präsentation geht einigermaßen gut, bis kurz vor Ende (trotz sich durch Nervosität leicht überschlagender Stimme). Denn da loggt sich mein Computer aus dem Google Meets Treffen aus, weil unser Internet mal wieder nicht kooperiert. Und ich? Unwissend rede ich weiter, bis ich es merke. Als ich meine Abwesenheit bemerke, stoße ich zu dem Treffen so schnell es mein Internet zulässt hinzu und entschuldige mich. Unsere Lehrerin versichert mir es sei kein Problem, ich bin aber trotzdem unglücklich. Immerhin stehe ich jetzt ziemlich unprofessionell da. Wie dem auch sei, ich beende meine Präsentation und diesmal bleibt mein Computer im System. Nach mir präsentiert noch eine Mitschülerin und dann neigt sich unsere Zeit im Fach Englisch schon dem Ende zu. Wir besprechen das weitere Vorgehen und die Stunde ist um. Zwischen mir und dem freien Nachmittag steht jetzt nur noch eine Doppelstunde Geschichte, in der wir auch einen Google Meets Anruf mit der ganzen Klasse machen und währenddessen einen separaten Anruf für unsere Gruppen haben. Das interessante dabei ist, dass wenn jemand im Klassenanruf spricht, ich es verspätet auch meist in meinem Gruppenanruf höre. Weil wir einige Tage nicht mehr miteinander gesprochen haben, sind wir leider in meiner Gruppe nicht sehr weit gekommen, und das ist schon großzügig ausgedruckt. Naja, in einer Hinsicht sind wir uns einig; bis nächste Woche wird die Präsentation auf jeden Fall stehen! Schneller als es mir lieb ist, ist unsere Zeit für Recherche und somit auch unsere Geschichte Stunde zu Ende.

Somit kehre ich wieder zu meinem Buch zurück und etliche Seiten und Minuten später ziehe ich meinen Vater mit mir nach draußen. Ich ziehe ihn nach draußen. Auch das kann nur während eines Ausnahmefalls wie jetzt gerade passieren; normalerweise ist es eher anders herum. Wir laufen eine 5km-Runde um den Charles River und bemerken zwei kuriose Sachen: Erstens, fast alle dort tragen Gesichtsmasken oder Schals um ihre Münder und Nasen und zweitens, alle Menschen halten so viel Abstand! Ich kann die Maßnahmen verstehen und durchaus nachvollziehen, aber es selbst zu erfahren ist trotzdem irgendwie komisch und neu. Als wir zurück sind, mache ich das, was ich zurzeit exponentiell mehr mache als sonst…lesen! (Und ja, mir gehen langsam, äh *schnell* die Bücher aus). Als ich mich bereit fühle, fange ich mit den Mathehausaufgaben an, und zwar den Aufgaben, die ich während der letzten Stunde nicht gelöst habe, weil ich (mal wieder) zu viel geredet habe. Als die Matheaufgaben alle fertig und hoffentlich auch richtig gelöst sind, muss ich sie nur noch in den Google Classroom hochladen. Diesen Teil des Online-Lernens empfinde ich als besonders lästig. Dennoch mache ich das dank meiner exzessiven Übung in den letzten Tagen schnell und bin jetzt mit den schulischen Angelegenheiten fertig. Das einzige was ich noch machen “muss”, ist diesen Eintrag zu schreiben. Also setze ich mich wieder an meinen Computer und bemerke, dass sich meine Augen von einem weiteren Tag mit vielen Stunden auf den Computerbildschirm starren gereizt anfühlen. Es ist unangenehm, lange auf dem Computer zu schreiben, aber ich verfasse den Eintrag schnell, da die Erinnerungen des heutigen Tag noch frisch in meinem Gedächtnis verankert sind. Somit schließe ich mein Chromebook und widme mich zuerst meinem Abendessen und danach meinem Bett. Was für ein ereignisreicher Tag des Online-Lernens!

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